„Habt ihr euch die Synagoge so vorgestellt?“ Das war die erste Frage der ehemaligen Lehrerin Lea Mor, als wir Ende Mai das jüdische Gotteshaus besuchten. Der Raum war mit den beiden 6. Klassen, 6c und 6d, sowie ihren Klassenlehrkräften Julia Brüwer und Thomas Kerperin und mir, der Religionslehrerin beider Klassen, gut gefüllt. Im Vergleich zur Abbildung im Arbeitsheft wirkt das Gebäude eher schlicht. Doch das war nicht immer so.
Ein Modell im Eingangsbereich zeigt die alte Osnabrücker Synagoge, die an der damaligen Rolandstraße 3-5 (heute Alte-Synagogen-Straße) stand – groß, prächtig und alten Kirchen ähnlich. Wie so viele andere wurde auch diese Synagoge in der entsetzlichen Pogromnacht am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten zerstört. Ein Mädchen stellte dann auch die Frage, ob das Aussehen der jetzigen Synagoge den Hintergrund hätte, möglichst wenig aufzufallen. Eine kluge und erschreckende Frage zugleich – wie ich finde.
Bevor wir die eigentliche Synagoge betraten, mussten alle Jungen und natürlich auch Herr Kerperin ihren Kopf bedecken. Dies ist im Judentum ein Zeichen der Ehrfurcht und Demut gegenüber Gott. Einige setzten ihre Basecaps auf oder zogen Kapuzen über, doch die meisten fanden es spannend, das Tragen einer Kippa ausprobieren zu dürfen.
Was ist überhaupt notwendig, damit ein Raum zur Synagoge wird? Natürlich das Wichtigste – die Tora, die Heilige Schrift der Jüdinnen und Juden – und ein großer Tisch, auf den sie gelegt werden kann. Interessiert hörten die Schülerinnen und Schüler zu und stellten immer wieder Fragen. Wie teuer ist eine Tora? Wie lang ist die Schriftrolle? Und was ist über dem Toraschrein zu sehen?
Es dauert ungefähr ein dreiviertel Jahr die Texte der Tora mit der Hand auf Pergament zu schreiben, deshalb ist sie auch sehr teuer. Sie kostet zwischen 35.000 und 40.000 Euro. Einzelne Pergamentstreifen, dünn gegerbte Haut von einem Schaf oder Rind, werden aneinandergeklebt, sodass eine ca. zwanzig Meter lange Schriftrolle entsteht. Der Text darf nicht mit bloßen Händen berührt werden. Ein Zeigestab hilft dabei, beim Vorlesen nicht in der Zeile zu verrutschen. Jüdinnen und Juden verehren ihre Heiligen Texte so sehr, dass sie auch eine im Krieg beschädigte Tora im Toraschrein oder ein altes, unleserliches Gebetbuch aufbewahren. Ist dies gar nicht möglich, wird der entsprechende Gegenstand auf einem jüdischen Friedhof beerdigt.
Über dem Toraschrein befindet sich etwas, was wir auch aus katholischen Kirchen kennen: das Ewige Licht. Es symbolisiert die Anwesenheit Gottes. Dies ist nur eine der vielen Gemeinsamkeiten des Judentums mit dem Christentum – und letztendlich auch mit dem Islam. Denn wir alle beten zu demselben Gott.
Neugierig wurde auch nach den Namensschildern gefragt, die an manchen Sitzplätzen angebracht sind. Als die Synagoge renoviert wurde, durften sich jahrelang ehrenamtlich Tätige einen Sitzplatz aussuchen – als Dank für ihre zeitintensive Arbeit. Was für eine schöne Geste!
Sicherlich eher für die Erwachsenen interessant war die Erklärung, warum in dieser Synagoge noch Frauen und Männer getrennt sitzen. Das liegt daran, dass in Osnabrück leider nur mehr ungefähr tausend Jüdinnen und Juden leben, zu wenige, um mehrere Synagogen zu bauen. Doch ihre religiöse Ausrichtung reicht von konservativ bis fortschrittlich. Deshalb müssen Kompromisse gefunden werden. Die Emporen links und rechts für Frauen sind ein Entgegenkommen für eher konservativ Gläubige. Außerhalb der Gottesdienste – bei gemeinsamen Essen und religiösen Festen – gibt es keine Trennung.
Ein besonderer Moment war sicherlich, als Frau Mor Hebräisch mit uns sprach. Da sie in Israel studiert hat, beherrscht sie die Sprache. Im Nachhinein brachte es eine Schülerin auf den Punkt: „Es ist toll, das in echt zu sehen, was wir aus dem Religionsunterricht kennen!“
Ein herzliches Dankeschön an Frau Mor!
Text und Fotos: Martina Kruse