Schulleiter Matthias Wocken am 21. Juni 2024 zum Schulabschluss
Liebe Schülerinnen und Schüler,
ihr wart ja nun fünf oder sechs Jahre an einer katholischen Schule. Macht mich glücklich und meldet euch, dass euch das Stichwort „Emmaus“ etwas sagt.
Rein geographisch liegt Emmaus am Jerusalem-Tel-Aviv-Highway, ziemlich mittig zwischen den beiden großen Städten. Es könnte zumindest sein, dass dieser Ort in der Bibel gemeint ist. Letztendlich gab es vergleichsweise einige Orte in Israel, die wörtlich übersetzt „warme Quelle“ hießen.
Also, zwei Jünger (Menschen, die Jesus und das, was er machte und erzählte ganz cool fanden und ihm deshalb gefolgt sind) machen sich aus Jerusalem auf den Weg. Irgendwann am Ostertag – Grab ist leer – Auferstehung – sind sie losgegangen. Wir wissen dank der Bibel, wohin sie gehen, nach Emmaus. Was sie dort wollen, wissen wir nicht. Nur eines wird deutlich: sie haben es in Jerusalem nicht mehr ausgehalten. Sie sind verwirrt nach den Ereignissen um den Tod von Jesus. Sie hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen würde. Nun aber ist er tot.
Ihre Hoffnung haben sie also vielleicht auf den Falschen gesetzt? Enttäuschung macht sich breit – und Ratlosigkeit. War alles umsonst, wofür sie sich in den letzten Jahren angestrengt haben? Zwar haben ihnen Frauen etwas von einem leeren Grab erzählt – also, dass die Leiche von Jesus plötzlich verschwunden war – aber was bedeutet das? Dass Jesus von den Toten auferstanden ist, können sie noch nicht glauben. Fällt uns ja, oder mir zumindest – heute immer noch schwer, wenn Logik ins Spiel kommt.
Und wenn Jesus dann vielleicht für einige unter euch auch „nur“ als Prophet, nicht als Sohn Gottes eine Rolle spielt, wird das ganze Glauben noch viel schwerer.
Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Mir ist nur erstmal wichtig, dass wir die Situation um Emmaus klar bekommen.
Also, die beiden Jünger sind auf dem Weg und plötzlich, während sie reden und ihre Gedanken austauschen, kommt Jesus, den sie nicht erkennen, hinzu und geht mit ihnen weiter. Und was macht er? Er hört ihnen zu, fragt nach ihrer Geschichte aus Jerusalem, fragt, warum sie denn so traurig sind, und tauscht sich mit ihnen zu der Frage aus, ob es wohl falsch war, an diesen Jesus zu glauben.
Schräge Situation. Da ist der, um den sich im Gespräch alles dreht, an der Seite der Jünger und tauscht sich mit ihnen auf Augenhöhe, er ist an ihrer Seite, er ist side by side, aus.
Und um dieses Momentum geht es mir heute: „side by side“ (Seite an Seite), nicht „top down“ (von oben herab).
In eurer Zeit an der Thomas-Morus-Schule seid ihr untereinander, aber hoffentlich auch mit euren Lehrerinnen und Lehrern und noch viel ‚hoffentlicher‘ mit der Schulleitung, side by side gegangen.
Das heißt, wir sind wie die Emmaus-Jünger miteinander fragend auf dem Weg gewesen. Wir haben uns tagtäglich gegenseitig nach Relevantem befragt. Wir ‚waren Interesse‘ – nein, ich habe mich nicht versprochen, wir waren lateinisch „inter esse“ = dazwischen sein.
Die entscheidenden Qualitätsfragen nach all den gemeinsamen Jahren an der TMS könnten heute bei euch am Kaffeetisch nach dieser Abschlussfeier in der Familie lauten:
- Kenne ich das Leben meiner Gemeinschaft? Meiner Schulgemeinschaft TMS?
- Bin ich bis heute real inter esse, also dazwischen gewesen?
- Und, war meine zurückgelegte Zeit „side by side“?
Oder habe ich womöglich nicht selten ein „top down“ – ein „von oben herab“ empfunden? Entweder von Lehrer:innen, Mitschüler:innen oder Mitarbeiter:innen? Von der Schulleitung?
Ich hoffe sehr und nehme für die Situationen, die ich mit euch gemeinsam erlebt habe auch in Anspruch, dass wir mehrheitlich „side by side“ unterwegs waren. Es ging immer darum, auf Augenhöhe miteinander und voneinander zu lernen und sich zu begegnen.
Mit den Emmaus-Jüngern bricht Jesus abends beim Essen das Brot und der Evangelist Lukas schreibt: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr.“
Ich will nun nicht zu sehr biblisch werden, aber wir sehen uns ab heute Nacht dann auch erstmal nicht mehr. Im übertragenen Sinne möchte ich euch dazu auffordern, dass wenn nun unser „side by side“ endet, wir uns nicht mehr sehen, das Vertrauen greifen muss (bei den Emmaus-Jüngern war es der Glaube), dass ihr von eurer Thomas-Morus-Schule ein starkes Fundament für euer Leben bekommen habt.
Bleibt „side by sidler“ und werdet um Himmels Willen keine „top downer“. Bitte, bitte! Seid „inter esse“ unterwegs.
Helfen könnte dabei, euch Folgendes bewusst zu machen:
- Bewegt euch ausgestreckt zwischen Himmel und Erde!
- Macht euch groß!
- Träumt, reichlich, aber immer mit Bodenhaftung!
Nur so könnt ihr Horizonte entdecken. Nur so öffnen sich für euch neue Universen. Ich weiß von einigen hier, dass sie nach der TMS so richtig aufbrechen. Dass sie nicht nur träumen, sondern vollkommen Neues beginnen, aus ihrer Familie wegziehen, in ferne Länder aufbrechen oder kurz gesagt, ein Abenteuer beginnen, das sie heute noch gar nicht einschätzen können.
Alles überhaupt kein Problem. Weil, ihr nehmt ja unsere Bodenhaftung mit. Ihr besucht einfach nur die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, unsere Erde. Seht sie euch an und beginnt die nächsten Träume.
Ob ein Mensch klug ist, erkennt man viel besser an seinen Fragen als an seinen Antworten. Will sagen, das Träumen eröffnet euch die Welt der Fragen. Die Antworten gibt es dann feststehend auf dem Boden durch all die Menschen, die „side by side“ bei euch sind.
Als jemand, die oder der sich groß macht, fallt ihr auf. Besonders, wenn ihr dazu auch noch gerade seid. An EUCH wendet man sich. Von EUCH lässt man sich erzählen. Von EUCH akzeptiert man einen Ratschlag. EUCH schenkt man Vertrauen. Ihr seid erkenn-, weil ehrbar. Beste Frau, bester Mann. Das Spannungsfeld zwischen „Ich weiß, wo ich stehe“ und „Ich träume ohne Schranken“ macht euch aus.
Thomas Morus, Thomas More, ist soweit gegangen, dass er sich für seine feste Überzeugung so groß und gerade gemacht hat, dass er dafür sterben musste. Er war sich sicher, mit seiner Einschätzung der politischen Lage richtig zu liegen und hat sich nicht verbogen. In seinem Utopia, was es so wie er es beschreibt und sich gewünscht hat, bis heute nicht in Perfektion gibt, gehen Menschen „side by side“ miteinander und diskutieren Probleme lösungsorientiert ohne jedes „top down“.
Wir wünschen euch eine Zukunft in Utopia. In dem Land, was ihr euch wünscht, das ihr euch erträumt und was die Bibel in all ihrer frohen Botschaft beschreibt! Macht euch die Erde Untertan – aber vielleicht cleverer als unsere Generation es gerade tut.
Und mit diesem Wunsch sowie einem Riesenpfund an Gottes Segen entlassen wir euch heute.
Bei Johannes im Kapitel 10, Vers 10 heißt es: „Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“
Träumt mit Bodenhaftung!
Bleibt große wache „side by sidler“, dann kommt die Fülle in eurem Leben ganz automatisch.