Schulleiter Matthias Wocken am 27. April 2022

Gestern ging das fünfte Generationenwerkstattprojekt der Thomas-Morus-Schule und der Ursachsenstiftung zu Ende. Wir haben nun eine Rundbank mit reichlich Sitzgelegenheiten um unseren Springbrunnen auf dem Schulhof. Sechs Schüler aus dem 8. Jahrgang: Lukas, Jakob, Dominik, Jan, Niklas und Mika haben gemeinsam mit dem Unruheständler, Metallbaumeister Friedhelm Kaiser, sowie dem Ausbildungsleiter der Firma KME, Lars Schönball, von November 2021 bis April 2022 die Sitzgelegenheiten gebaut. Wir sind wie bei allen Projekten zuvor vollkommen beeindruckt, was Experten mit unseren Schülern auf die Beine stellen können. Hut ab! Sägen, Anreißen, Bohren, Biegen, Schweißen, … alles handwerkliche Tätigkeiten, die die Schüler von der Pike auf lernen müssen. Herr Kaiser berichtete begeistert, dass er in diesem Durchgang teilweise während des Prozesses Verantwortung an einzelne Schüler übertragen konnte. Was ein Ritterschlag für unsere Jungs.

Und wir werden erneut loslegen. Das nächste Projekt mit der Firma KME ist in Planung!

Während wir uns hier vor Ort bei bestem Wetter über die ersten Schüler:innen freuen, die sofort die neuen Bänke bevölkern, redet der russische Außenminister vom „Dritten Weltkrieg“, sind 14 ukrainische Schüler:innen in unsere Schulgemeinschaft aufgenommen, stoppt Russland die Gaslieferungen an Polen und Bulgarien und sterben im fortlaufenden Ukrainekonflikt Tag für Tag, Nacht für Nacht unbeteiligte Zivilisten und kämpfende Soldaten der sich gegenüberstehenden Nationen. Wie bekommt man das gedanklich verarbeitet? Gar nicht!

Aus unserer Jahrzehnte währenden Sicherheit, die sicherlich ein wenig zu vermeintlicher Selbstverständlichkeit verkommen war, treten wir nun raus ins wahre Leben. Vernunft ist keineswegs die Tugend, die alle Regierungen unserer Welt als Grundfeste ihrer Arbeit betrachten. Die Definition von Frieden kann nach aktuellem Erleben nicht einheitlich festgeschrieben sein. Wenn ich in die Augen unserer übersetzenden Schüler:innen während der Aufnahmegespräche ukrainisch Geflüchteter in unserer Schule schaue, sehe ich absolute Verwirrung. Kaum eines unserer Kinder kann sich vorstellen, das zu erleben, was die Familien aus der Ukraine uns erzählen. „Zeugnisse können wir nicht zeigen. Mitnehmen konnten wir sie während unserer ungeplanten Flucht nicht und die Schule zu der ich gegangen bin, gibt es seit zwei Wochen nicht mehr. An ihrer Stelle liegen nur noch Trümmer.“ oder „Auf der Fahrt haben wir uns bemüht, unseren Kindern die Augen zuzuhalten, wenn Leichen auf der Straße lagen.“ Bekommen wir das als Bürger:innen der Bunderepublik Deutschland, die uns warm in ihrem Schoß hält, real „auf den Schirm“?

Warum berührt uns das Geschehen in diesem Krieg mehr als in den vielen anderen Konflikten, die ebenso zu Flüchtlingsströmen geführt haben und von ihrem leidvollen Ausmaß an Unfassbarkeit in keiner Weise nachstanden? Aus meinem konkreten Erleben gibt es zwei Hauptgründe: Durch die sehr guten Englischkenntnisse der meisten ukrainischen Familien unterhalten wir uns selbst, oft ohne Dolmetscher mit den Beteiligten. Es entsteht sehr schnell eine persönliche Ebene des gegenseitigen Verständnisses. Zweitens berühren uns die Ereignisse in der Ukraine unmittelbar. Sie sind so nah und für jede:n im eigenen Leben spürbar.

Hoffentlich ist die aktuelle Politiker:innengeneration in den Ländern dieser Welt in der Lage, die Brisanz unserer Zeit richtig einzuschätzen und sinnvolle diplomatische Wege miteinander zu gehen. Die gegenseitige Kommunikation darf niemals abreißen. Das, was wir im Kleinen in unserer Schulgemeinschaft pflegen – stete gegenseitige Ansprechbarkeit in allen Belangen ohne jedes Ressentiment – muss bestimmendes Prinzip der Weltpolitik sein!

An jedem Schulmorgen betet eine andere Lerngruppe seit Beginn des Krieges in der Ukraine ein Friedensgebet mit der Schulgemeinschaft. Wir bitten Gott um seine schützende Hand und die dringende Erkenntnis der Menschheit, dass der einzig wahre gemeinsame Weg, der Weg des Friedens ist.