„Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“ AG-Fahrt nach Auschwitz und Krakau
Im November fuhren 16 Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 10 mit Frau Kassing und Frau Mäscher für eine Woche auf eine Gedenkstättenfahrt nach Krakau und Auschwitz, wo sie gemeinsam mit 13 Schülerinnen und Schülern aus Stettin sowie deren Lehrerinnen zusammentrafen. Die Schülerinnen und Schüler der TMS hatten sich im Vorfeld für diese freiwillige AG beworben, um sich intensiver mit dem Thema Holocaust, zusammen mit Jugendlichen aus Polen, auseinanderzusetzen. Die Erinnerung, so führten viele Schüler in ihren Bewerbungen an, führt zu gegenseitigem Verständnis und Versöhnung. Gerade die aktuellen politischen Entwicklungen wie wachsende Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus muss durch die Kenntnis der Vergangenheit entgegengewirkt werden. Hier berichten die Schülerinnen und Schüler von ihren Erlebnissen.
Nach 14 Stunden Busfahrt trafen wir am Montag den 5. November in Krakau an. Unser Guide Christian Vogt holte uns am Bus ab, brachte uns zu unserem Hostel, um uns anschließend durch das historische Krakau zu führen. Als wir auf dem riesigen Marktplatz ankamen, waren wir erst einmal erstaunt über die vielen Tauben, die dort leben und die vielen weißen Kutschen. Berühmt ist der mittelalterliche Marktplatz nicht nur wegen seiner Größe sondern auch wegen der Marienkirche und den Tuchhallen. Die Marienkirche hat wegen ihrer Baugeschichte zwei unterschiedlich große Türme. Auf einem dieser Türme werden zu jeder vollen Stunde die ersten vier Takte eines Liedes von einer Trompete in jede Himmelsrichtung einmal gespielt. Anschließend gingen wir durch die Krakauer Tuchhallen in denen sich heute viele kleine offene Souvenirläden befinden. Von dort aus war es nicht weit zu einem der historischen Innenhöfe der Jagiellonen Universität. Sie wurde schon 1364 vom polnischen König Kasimir gegründet und ist die zweitälteste Universität in Mitteleuropa. Auf dem Weg zur Krakauer Burg Wawel, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige, haben wir ein großes Gemälde des polnischen Papstes Johannes Paul II gesehen. Dieser spielt in Polen, insbesondere in Krakau eine sehr große Rolle, da er dort seine erste Messe hielt. Das war in der Wawelkathedrale des heiligen Stanislaus, die wir auch besichtigt haben. In der Kathedrale konnten wir auch einige Tropfen Blut von Johannes Paul II in einer kleinen Glasflasche sehen. Viele Menschen beten dort vor seinem Blut. Manch abergläubige Menschen gehen im Burginnenhof des Wawel zu einer besonderen Stelle, an der man angeblich besondere Energie verspürt. Auch einige von uns haben dort ein „Kribbeln“ gemerkt 😊. Solch Aberglauben hat Christian Vogt noch getoppt, als er meinte, dass die Menschen in Polen glauben, dass wenn man in einem Monat mit dem Buchstaben „r“ heiratet, Unglück in der Ehe haben wird. Zum Abschluss der Stadtführung haben wir die Drachenhöhle des Wawel von oben betrachtet. Vor dem Eingang der Höhle steht heute ein großer Drachen aus Stahl, der alle 15 Minuten Feuer spuckt. Die Sage will es, dass ein junger Held den Drachen überlistete und die Bewohner von dem schrecklichen Drachen erlöste.
Am Abend sind wir dann mit Christian polnisch essen gegangen. Nach dem Essen haben wir mit ihm im Restaurant noch zwei polnische und ein jüdisches Lied angestimmt und damit den spannenden, aber auch anstrengenden ersten Tag beendet.
Lena Schnieder, Noah Culligan, Miriam Flohre
Am Dienstag sind wir um 5.30 Uhr aufgestanden, weil wir schon sehr früh mit den polnischen Schülern aus Stettin verabredet waren, um mit ihnen gemeinsam nach Oświęcim/Auschwitz zu fahren. Die Fahrt von Krakau nach Oświęcim dauerte ca. 1 ½ Stunden. Dort angekommen, haben wir uns in der IJBS, der internationalen Jugendbegegnungsstätte, angemeldet und gefrühstückt. Die IJBS liegt am Ufer des Flusses Soła, zwischen dem Zentrum der polnischen Stadt Oświęcim und dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz. Die Begegnungsstätte dient dazu, Kenntnisse der Geschichte zu erarbeiten und zur Versöhnung zwischen den Völkern beizutragen. Hier fanden die meisten Workshops statt und bis auf das Frühstück haben wir immer dort gegessen. Sofort nach dem Frühstück hat uns Linus, ein FSJler, der für die Aktion Sühnezeichen in der IJBS arbeitet, durch Oświęcim geführt und etwas über die spannende Geschichte der Stadt erzählt. Zum Beispiel waren zur Zeit des Überfalls der Deutschen auf Polen ca. 60% der Bevölkerung jüdischen Glaubens. Heute leben keine Juden mehr in der Stadt und die einzige erhaltene Synagoge befindet sich im Museum der Stadt. Für die polnischen Jugendlichen war die Stadtführung ganz schön anstrengend, denn sie mussten ja alle Informationen auf Deutsch verstehen. Nach dem Synagogen- und Museumsbesuch konnten wir uns kurz allein in der Stadt umschauen, bis dann in der IJBS der erste Workshop begann. Auf Englisch, Polnisch und Deutsch hat uns die Teamerin Nataliia auf den Besuch des Stammlagers I / Auschwitz vorbereitet. In Kleingruppen haben wir uns über unsere Motivation an der Teilnahme zur Fahrt ausgetauscht und haben anschließend zur Geschichte des Stammlagers vom Konzentrationslager hin zum Vernichtungslager gearbeitet. Das war wichtig, damit wir die Informationen des nächsten Tages zuordnen konnten. Am Abend gingen wir dann endlich in unsere Unterkunft in Oświęcim. Wir waren im Internat der Don Bosco Salesianer untergebracht. Die Schule ist in einem riesigen alten Gebäude und wird von Priestern geleitet. Spannend.
Malin Greten, Joelle Pham, Helena Arens
Am Mittwoch mussten wir wieder sehr früh aufstehen und schnell in der riesigen Mensa im Kellergewölbe des Internats frühstücken, damit wir pünktlich vor acht Uhr am Stammlager 1 waren. Die Sicherheitskontrollen am Eingang sind fast noch strenger als auf dem Flughafen, weil man Angst hat, dass dort ein Anschlag verübt werden könnte. Hinter dem Eingang bekamen die polnischen Schülerinnen und Schüler und wir unterschiedliche Guides, damit wir in unserer Muttersprache durch das Lager geführt werden konnten. Unser Guide hieß Halina und ist eine ehemalige Deutschlehrerin, die ihren Beruf aufgegeben hat, um den Menschen von Auschwitz zu erzählen. Sie hat uns durch das ganze Lager geführt und viele Details vom unmenschlichen Leben im Lager erzählt. Da hat man irgendwie ein bedrückendes Gefühl bekommen, besonders auch im Todesblock 11, der Erschießungswand oder der ersten Gaskammer und dem Krematorium im Lager. Die Führung dauerte 4 Stunden und nach einer kurzen Mittagspause konnten wir wieder ins Lager zurück und eine Stunde für uns allein die verschiedenen Länderausstellungen ansehen. Z.B. den Block 13, in dem das Schicksal der Roma und Sinti dargestellt ist. Alle zusammen waren wir noch einmal im Block 27 in dem die israelische Shoa Ausstellung gezeigt wird. Hier waren die Skizzen, die Kinder in verschiedenen Konzentrationslagern gemalt haben und die man nach der Befreiung der KZs gefunden hat, für uns besonders wichtig, weil wir mit diesen Kinderzeichnungen am 28. Januar 2019, bei uns an der TMS eine Ausstellung machen wollen. Anschließend haben wir im Stammlager an einem Workshop teilgenommen und dort von den Schicksalen damaliger Kinderhäftlingen erfahren und darüber geredet. Danach fuhren wir zur Bildungsstätte zurück und die meisten waren sehr müde, aber wir haben dann in noch einem Workshop zu dem Überlebensweg der zehnjährigen Estera Bronstein gearbeitet, die der Verfolgung durch die Nazis entkommen ist. Den ganzen Tag über war man irgendwie geschockt und traurig und man hatte auch irgendwie Angst das so schreckliche Dinge wie zur Zeit des Nationalsozialismus wieder passieren könnten.
Aurora Drago, Julia Graf, Jonas Schuckmann, Niklas Marnfeld
Am Donnerstag besuchten wir morgens um 8 Uhr das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Als wir aus dem Bus stiegen, bemerkten wir einen dichten Nebel, der uns die Sicht auf die Größe des Lagers versperrte. Der Nebel machte diesen Ort nochmal um einiges gruseliger als er eh schon war. Bevor wir das Lager betraten, sammelten wir uns vor dem bekannten Tor, durch das die Züge mit den Juden vor noch nicht mal mehr als 3 Generationen durchfuhren. Wir sagten nicht wirklich viel und wussten nicht ganz, wie wir unsere Gedanken ordnen konnten. Wie würdest du dich denn verhalten, wenn du wüsstest, dass du kurz davor bist, einen riesengroßen Friedhof zu betreten, wo Menschen geschlagen, gequält, erschossen und vergast wurden? Denn das wussten wir auch nicht. Halina, unser Guide vom Vortag, führte uns wieder 4 Stunden durch das Vernichtungslager und die Stimmung sank bei jedem Schritt. Es war egal, wo du hintratst oder wo du standst. Millionen Menschen sind dort gestorben und ganz sicher auch einer genau da, wo du standst. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Am internationalen Denkmal an den Krematorien trafen wir wieder mit unseren polnischen Mitschülerinnen und -schülern zusammen. Zum Gedenken an die Millionen Opfer des Holocaust haben wir an dieser Stelle einige Zitate von jüdischen Überlebenden vorgelesen und anschließend gemeinsam das Vater Unser in der jeweiligen Muttersprache gebetet.
Nachdem wir Auschwitz-Birkenau verlassen hatten, begannen wir mit dazu passenden Workshops, die wir mit den Polen zusammen machten. Keiner konnte verstehen, wie sowas passieren konnte, aber eins wussten wir und da waren wir uns alle einig: So etwas darf nie wieder passieren.
Nach diesem anstrengenden Tag sind die meisten von uns Döner essen gegangen. Der hat jedenfalls glücklich gemacht und wir konnten den Tag ausklingen lassen. Alles in allem war es ein unbeschreiblicher Tag, der uns viel gelehrt hat und den wir nicht vergessen werden.
Jette Schwegmann, Jan Wißkirchen, Nina Lanwert
Nach einer lehr- und ereignisreichen Woche in Polen, war nun Freitag, der letzte Tag. Nach einem leckeren Frühstück im Salesianer Internat begann für uns der letzte Workshop zusammen mit den polnischen Jugendlichen. In Gruppen- und Einzelarbeit präsentierten wir unsere Gedanken und Gefühle der letzten Woche. Dabei war jede Form der Präsentation erlaubt. Fotos mit Stationen der Woche, Mindmaps, Erzählungen… alles war möglich. Unsere Teamerin vom ersten Tag, Nataliia, unterstützte uns in den Sprachen Englisch, Polnisch und Deutsch, die Lehrerinnen übersetzen zusätzlich. Ein Zitat einer polnischen Schülerin vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Woche war: „Young people – we – have the power to create a new world.“
Nach dem Abschied von den polnischen Schülerinnen und Schülern fuhren wir mit dem Bus zurück nach Krakau. Dort wartete schon Christian Vogt, der mit uns eine Stadtführung durch das ehemals jüdische Viertel Kazimierz machte. Hier erkannten wir einige der Originalschauplätze aus dem Film „Schindlers Liste“ wieder. Er zeigte uns die Reste der Außenmauer des Ghettos in Krakau, in dem von 1941 bis zu seiner Auflösung 1943, tausende Juden auf engstem Raum versuchten, zu überleben. Nach einem Besuch in der ehemaligen Emaille-Fabrik von Oskar Schindler, in dem heute ein Museum über die Geschichte Polens währen der deutschen Besatzungszeit bis 1945 untergebracht ist, bekamen wir drei Stunden Freizeit, um die Stadt noch einmal selbständig in Kleingruppen zu erkunden oder einfach mal zu entspannen. Um 18 Uhr trafen wir uns pünktlich am Klezmer Hois, einem jüdischen Restaurant, in dem wir die Erfahrung machen konnten, koscher zu essen. Nachdem wir gut gestärkt unsere Heimfahrt antraten, versuchten wir, es uns im Bus gemütlich zu machen und schauten den Film „Der Pianist“, der noch einmal gut zu unseren Erfahrungen der Woche passte. Viele von uns sind dann erschöpft eingeschlafen und so ging der letzte Tag in Polen zu Ende.
Ricarda Berg, Jula Elbel, Rafael Beckmann
Diese Gedenkstättenfahrt Fahrt wurde durch die große finanzielle Unterstützung der „Felicitas und Werner Egerland-Stiftung“ und durch das Deutsch-Polnisches Jugendwerk ermöglicht. Ganz vielen herzlichen Dank dafür!