Schulleiter Matthias Wocken am 1. Juli 2022
Liebe Leserinnen und Leser unseres Jahresmagazins!
„Kleider machen Leute“! Unser Schuljahresbericht erscheint im Jahr 2022 erstmals im neuen Gewand. Mit unserem Schulassistenten Sascha Göpel haben wir den Designer direkt im Haus. Dank seiner Expertise und dem guten inhaltlichen Blick unserer Schulsekretärin Bärbel Schmutte blicken wir in das vergangene Schuljahr und füllen ein weiteres Kapitel in der Chronik der Thomas-Morus-Schule.
Neu ist aber auch „Schule nach Corona“, „Schule während des Ukrainekonflikts“ und „Katholische Schule inmitten der Krise der Katholischen Kirche“.
Die augenblickliche Schüler:innengeneration geht durch „besondere Zeiten“. Sie also „besonders im Blick zu haben“, erscheint also mehr denn je als tägliche Verpflichtung. Die Verantwortung für das Gelingen von Bildung und Erziehung schien selten höher, aber auch selten komplizierter.
Coronahilfen, Bundeswehretat, europäische Solidarität und innen- wie außenpolitische Notwendigkeiten verschlingen Milliardenbeträge. Der Finanzminister scheint sich einer nie enden wollenden Geldquelle gewiss. In Schule hingegen denke ich oft, diese Summen müssen unsere Kinder und Jugendlichen in den kommenden Jahrzehnten „wieder reinholen“. Bereiten wir sie darauf richtig und ausreichend vor? Bekommen sie in der Thomas-Morus-Schule das Rüstzeug, was sie in der Zukunft persönlich, aber auch im Sinne unseres Landes bestehen lässt?
Den Rückhalt, den ich als Beruhigung während meines Weges in das Erwachsenenleben (fast) immer wie selbstverständlich hatte, meinen Glauben in der Gemeinschaft der Christen und die Gewissheit, in Frieden zu leben, sehe ich bei unseren Jugendlichen in seltenster Weise noch gegeben. Wenig können wir davon ausgehen, dass Schüler:innen in einer Gemeinde, Glauben miteinander feiern. Zweifelsfrei nehme ich wahr, dass sie der Krieg in Europa massiv verunsichert.
Erfrischend ist jedoch das Gefühl, dass sie für Religiöses und erst recht für die Werte unseres Grundgesetzes ansprechbar sind. Institutionen sind ihnen in den wenigsten Fällen wichtig, viele kennen sie gar nicht, geschweige denn beschäftigen sich mit ihnen. Aber das Bewusstsein, dem Leben einen Sinn geben zu wollen, im Glauben Rückhalt und Hoffnung zu finden, demokratische Werte für eine funktionierende Gesellschaft zu verteidigen, ist nicht verschüttet. Schüler:innen sind voll da, wenn es darum geht, zu trösten, zu helfen, anzupacken, Neues zu erschaffen, die Welt besser zu machen, Gemeinschaft zu stiften. Ich muss sie vielleicht nur ein wenig offensiver ansprechen als früher. Ich muss sie mit der Nase auf das Wesentliche stupsen.
Der politische Umgang mit Corona, aber auch die unbearbeitete „Unruhe“ in Kirche und Gesellschaft sind daran nicht unschuldig. Der Rückzug, den Schüler:innen für die Erwachsenen erdulden mussten und die zunehmend fehlende Relevanz kirchlichen oder staatlichen Statements, haben bis ins Mark erschüttert. Wir haben Schüler:innen in die Isolation verbannt.
Selbstverständlich müssen sie nun die Zeit und Unterstützung bekommen, in gemeinschaftliches Leben zurückzufinden. Wie soll das von alleine funktionieren?
Hier sind wir gefragt. Hier sind die Eltern und Erziehungsberechtigten gefragt. Hier sind die Politiker gefragt. Hier hoffen wir auf das Erkennen der Verantwortung der Kirche für die heranwachsende Generation.
Schule muss wieder raus aus der Beliebigkeit. Schulpflicht ist nicht beliebig, das Erfüllen von Aufgaben ist nicht beliebig, einen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft zu leisten, ist nicht beliebig. Eine alte Tugend wie „Pflichtbewusstsein“ muss Erneuerung erfahren. Gemeinschaftliches und individuelles Erfüllen von sinnvollen Pflichten sichert uns ein gelingendes Leben. Hoffnung aus dem Glauben zu schöpfen, kann zur Menschwerdung wesentlich beitragen.
Um Sinnhaftig- von Sinnlosigkeit zu erkennen, braucht ein junger Mensch Kompetenzen, die er sukzessive erwerben muss. Meiner Ansicht nach zählen dazu „Kreativität“, „Kommunikation“, „Kritisches Denken“ und „Kooperation“. Wenn wir ein großes Handlungsrepertoire an Methoden vermittelt bekommen, kann es glücken, dass wir mündige Jugendliche nach ihrem Abschluss in die Welt schicken. Und derer bedarf es, wie eingangs erwähnt, unbedingt. Ich wünsche unseren Schüler:innen, dass sie sich einmischen, dass sie sich trauen, ihr bei uns Erfahrenes und Erlerntes einzubringen. Ich hoffe, sie sind laute Verteidiger:innen von Freiheit und Gerechtigkeit. Und es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn sie wie Thomas Morus utopisch träumen, Idealen nacheilen und für ihre Meinung wie Felsen in der Brandung aushalten. Ich wünsche ihnen Aufrichtigkeit und einen inneren Kompass, der sie in die richtige Lebensrichtung führt.
Unsere Schule dafür programmatisch richtig aufzustellen, wird die Herausforderung der kommenden Zeit. Wir sind an dieser Stelle transparent. Unser „TMS Wiki“ bildet unsere Arbeit „Im Fluss“ ab. Wer Lust hat, schaut vorbei und tauscht sich gerne mit uns aus.
Zum Ende dieses Schuljahres geht unser langjähriger Oberschuldirektorenstellvertreter Hans-Günther Tiemann in die Ruhephase der Altersteilzeit. Lieber Hans-Günther, danke für unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit, deine Loyalität, tausend wertvolle Gespräche und deine verlässlich gute Laune. Im nächsten Jahresrückblick berichten wir ausführlicher über deine Verabschiedung.
Liebe Schulgemeinschaft,
mir ist es wichtig, am Ende meines Vorworts DANKE zu sagen. Mich hat tief beeindruckt, wie unser Elternrat, unsere Schülerinnen und Schüler, unsere Lehrerinnen und Lehrer, unsere verschiedenen Kooperationspartner:innen und nicht zuletzt unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die geflüchteten Familien aus der Ukraine in unserer Mitte begrüßt haben. Die Hilfsbereitschaft aller Beteiligten war beispielhaft. Ob Übersetzen, eine gute Ausstattung, das Unterrichten in Deutsch als Zweitsprache oder die Integration in die Klassengemeinschaften, wir haben das miteinander hinbekommen. Mein Wunsch ist, dass wir in Zukunft genau bei dieser Willkommenskultur, die wir nun auch auf dem Lichthofsims unserer Aula verschriftlicht haben, bleiben. Egal, von wo uns Menschen zureisen, „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“
In Aufbruchsstimmung grüßt im Juli 2022
Matthias Wocken
Schulleiter