Schulleiter Matthias Wocken am 5. Juli 2023

Liebe Leserinnen und Leser unseres Jahresmagazins!

Stark verkürzt und aus dem Gedächtnis formuliert eine Situationsbeschreibung aus den frühen Tagen des zweiten Schulhalbjahres:

„Glauben Sie echt an Gott, Herr Wocken?“

Provozierend schaut mich der Naseweis an, der eigentlich vor mir sitzt, weil er in der Pause „Mist gebaut hat“. Die Pausenaufsicht hatte ihn bei mir mit den Worten vorbeigebracht: „Auch nach mehreren Hinweisen und Ermahnungen schubst und beleidigt X seine Mitschüler immer weiter.“

Seine Frage passt nicht wirklich in unser Gespräch und der kleine Mann merkt sehr genau, dass er mich verwundert. Er wirkt geübt im Provozieren.

Wahrscheinlich, weil mir so schnell nichts Besseres einfällt, kontere ich, im Gesprächsverlauf tatsächlich innehaltend – das hat er geschafft – mit der Gegenfrage: „Absolut! Und du?“.

Ich nehme an, Gott persönlich unterstützt mich durch das verblüffte Gesicht meines Gegenübers. Nach einem kurzen Atmen sagt er eher beiläufig: „Nö!“.

Ich warte. Mal sehen, was nun kommt und vor allen Dingen, wie er auf diese Frage mitten im Austausch über das Pausengeschehen gekommen ist.

Manchmal läuft es einfach großartig. Denn dieser eben noch angriffslustige Provokant schaltet um. Sein Gesicht wird ernst. „Ich kann doch nicht an was glauben, was nicht da ist.“

„Sauber“, denke ich. Da könnte was gehen, Einflugschneise… Also nehme ich, entgegen meiner ersten, durchaus grantig irritierten Intuition, den Faden auf und wir beide kommen ins Gespräch zum „Phänomen Glauben“. Wir tauschen uns zu der Frage aus, was ein Mensch eigentlich braucht, um glücklich zu sein.

X ist sich sicher, dass Glück total viel mit Spaß zu tun habe. Und ihm und seinen Freunden mache es halt richtig Laune, sich im Spaß zu beleidigen und zu attackieren. Er verstehe also null, was er überhaupt bei mir solle.

Interessant, er bringt das Gespräch nach diesem kleinen Exkurs zurück zu unserem ursprünglichen Inhalt. Ich lasse das jedoch nicht zu, sondern bleibe beharrlich bei der Frage, was es seiner Ansicht nach brauche, um Glück zu empfinden. „Auf jeden Fall nicht den lieben Gott!“, blafft er mich an.

Ich muss gestehen, mittlerweile reizt mich die Unterhaltung. Das geht so weit, dass ich gar nicht auf die Uhr schaue und der Schüler bereits Inhalte seiner nun bereits 20 Minuten laufenden Deutschstunde verpasst. Egal!

„Gott ist für mich Halt, Hoffnung und Richtschnur.“, stelle ich als Statement, ein wenig altbacken, zur Verfügung. „Mir fällt der Glaube an ihn auch manchmal nicht leicht. Aber ich habe klar festgestellt, dass mir Gott in den wirklich wichtigen Momenten zur Seite steht.“

Der Junge fasziniert mich. Er lässt sich auf meine Gedanken ein und formuliert nun selbst Beispiele, wann es wahrscheinlich nicht schaden könne, Gott an seiner Seite zu wissen. Beispielsweise berichtet er von seiner Traurigkeit, als sein bester Kumpel aufs Gymnasium gegangen sei und er alleine an die TMS gehen musste.

Schlussendlich sagt er grundehrlich, und das machte ihn für mich zum Tageshelden, „Herr Wocken, ich dachte, Sie drehen total durch, wenn ich so tue, als wenn Gott für mich unwichtig ist.“ „Ich drehe durch?“, frage ich. „Ja, Sie sind doch Schulleiter von einer Kirchenschule. Da muss man ja wohl an Gott glauben und Schüler haben, die das auch tun.“

Ich weiß nicht, ob X noch beleidigt und schubst. Bei mir war er wegen einer derartigen Auffälligkeit nicht mehr. Ich spüre aber, dass wir uns bewusst auf dem Schulgelände begegnen und ein besonderes Auge füreinander haben. Mir tut das sehr gut, weil es vollkommen konträr zu der öffentlichen Meinung ist, dass Schüler:innen für tiefere Gedanken aufgrund ihres schnelllebigen und oberflächlichen Alltags nicht mehr zugänglich seien. Stimmt nicht 😊

Ob nun Schülerinnen und Schüler an Gott glauben oder nicht, ist meiner Ansicht nach nicht entscheidend. Zentral ist, dass sie die Möglichkeit haben, diese Fragen für sich zu erörtern. Dass sie Zeit und Raum finden, sie zu durchdenken. Und dass die Thomas-Morus-Schule ihnen bewusst die Chance gibt, während ihrer Schulzeit Erfahrungen im Glauben zu sammeln. Ich danke der gesamten Schulgemeinschaft, dass es in unserer zunehmend säkularisierten Welt möglich ist, religiöse und spirituelle Momente an und mit der TMS zu erleben. Niemand verweigert sich dem inhaltlichen Aspekt unseres Glaubens. Die Selbstverständlichkeit, dass gelebte Christlichkeit den Menschen guttut, steht. Erweiterung erfährt unser Blick durch die Impulse des islamischen Religionsunterrichts und den wachen Blick auf Religiosität in all ihren Facetten.

Lasst uns gemeinsam glauben, dass es mehr gibt, als Menschen in der Lage sind wahrzunehmen. Lasst uns gemeinsam hoffnungsvoll und zuversichtlich auf das menschliche Miteinander blicken. Unruhe und Verunsicherung gibt es auf der Welt genug. Zeit, sich auf das Wesentliche vor Ort zu besinnen. Wir sind jeden Tag Mensch für Menschen.

Frohen Mutes grüßt im Juli 2023

Matthias Wocken

Schulleiter